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Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist.

Autorenbild: Rainer HarterRainer Harter

Seit vielen Jahren faszinieren mich geistliche Gemeinschaften. Seit längerem aber beobachte ich, wie die meisten von denen, die ich persönlich kenne, unter einem Mangel an Nachwuchs leiden.


Einige Gemeinschaften sind mittlerweile stark überaltert und stehen in der Gefahr, in den nächsten Jahren zu verschwinden.




Wer sich mit ihren Entstehungsgeschichten beschäftigt, der stößt auf jeweils ganz ähnliche Punkte, in denen das oft starke Wachstum in den ersten Jahren ihres Bestehens begründet lag: Erstens war da das Verlangen danach, Jesus Christus ganz konkret zu folgen. Zweitens existierte der Wunsch, zu einer Gruppe von Gleichgesinnten zu gehören, mit denen man seinen Glauben und sein Leben teilen konnte. Drittens herrschte in den Gemeinschaften häufig ein Pioniergeist vor. Man konnte den inneren Aufbruch spüren, der sich auch im Außen manifestieren wollte.


So entstanden Gruppen, die als Pioniere - oft mit wenig Geld, dafür aber mit großem Glauben und viel Leidenschaft - moderne Klöster gründeten. Das waren und sind Orte, an denen neben dem dort gepflegten geistlichen Leben auch der Dienst an anderen Menschen im Vordergrund steht.


Einige dieser Pioniere darf ich kennen. Ihnen gegenüber verspüre ich großen Respekt. Was sie in ihrem Leben geleistet und worauf sie dafür verzichtet haben, beeindruckt mich. Sie sind - bei allen persönlichen Schwächen und Fehlern - Vorbilder für mich. Wenn sie von ihren  Erlebnissen sprechen, dann werde ich still, weil diese von der ganz realen Erwartung zeugen, dass Gott in herausfordernden Situationen ganz konkret eingreift. Auf dieses Eingreifen waren sie von ihrer Gründung an angewiesen und erlebten es auch.


Zugleich erscheinen diese Menschen wie eine aussterbende Spezies zu sein. Mit ihrem Verschwinden stünden aber auch geistliche und diakonische Zentren vor dem Aus.

Mich wundert nicht, dass solche Gemeinschaften in unserer Zeit schrumpfen. Zu stark, geradezu überbordend ist der Individualismus geworden. So stark, dass allgemein gültige Wahrheiten zugunsten der persönlichen Wahrheitsdefinition abgeschafft werden. Möglicherweise war das Sprichwort „Jeder ist sich selbst der Nächste“ aus einer Komödie von Publius Terentius Afer (190–160 v. Chr.) in seiner negativen Deutung so wahr wie heute. Kaum mehr steht etwas sicher fest, alles ist Option. Charaktermerkmale wie Verbindlichkeit und Treue, die sich z.B. in ehrenamtlichem Engagement oder in Beziehungen zeigen, sind stark zurückgegangen.


Wann genau der Tag kommt, an dem die Einsicht durchbricht, dass wir Menschen so nicht leben können, weil wir damit unsere Gesellschaften und letztlich auch uns selbst ruinieren, weiß niemand. Aber ich bin sicher, dass er kommen wird. Und ich wünsche mir, dass es bald soweit ist. Dann werden auch geistliche Gemeinschaften wieder wachsen und es werden neue entstehen, deren Mitglieder ihr Ego niederlegen und gemeinsam ihr Leben in der Nachfolge Jesu für andere einsetzen.


Natürlich muss nicht jeder, der sich bereits heute nach einer geistlichen Gemeinschaft sehnt, gleich in ein Kloster oder eine ähnliche Lebensgemeinschaft eintreten. Es gibt viele Gruppen mit einem geistlichen Anliegen, dem sie sich gemeinsam widmen.


Ich wünsche dir von Herzen, dass du zu einer verbindlichen Gemeinschaft gehörst oder eine findest. Ja, auch dort triffst du auf herausfordernde Personen, auch dort wird gestritten und es geht nicht alles gut. Und doch sind dort Heilige gemeinsam unterwegs, um für andere, aber auch füreinander ein Segen zu sein, auch wenn es sich um humpelnde Heilige handelt.


Alles Liebe und hab eine gute Woche.

Rainer

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