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AutorenbildRainer Harter

Eine kitzelige Angelegenheit

Denn es wird eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen, sondern nach ihren eigenen Begierden sich selbst Lehrer aufhäufen werden, weil es ihnen in den Ohren kitzelt 2.Tim 4,3



Seit einigen Tagen beschäftigt mich ein Thema stark, mit dem ich bereits seit vielen Jahren in meinem beruflichen Umfeld als Leiter eines Gebetshauses und davor als Lobpreisleiter in einer Gemeinde zu tun habe. Schon früher kam es immer wieder einmal zwischendurch an die Oberfläche meiner Wahrnehmung, doch nie so stark wie im Augenblick.


Ich möchte es in zwei Fragen kleiden:


Was ist in der Kirche der Postmoderne die vorrangige Quelle für die Bildung unserer persönlichen Theologie und was bestimmt unsere Vorstellung von und unsere Erwartungen an Gott mehr als alles andere?

Ich meine, diesbezüglich gerade bei jungen, aber auch bei vielen gereifteren Christen aktuell eine Tendenz beobachten zu können, die ich schwierig finde:


Die Bibellese und das Studium, also die persönliche Auseinandersetzung mit dem historischen, kulturellen und geistlichen Kontext der Bücher der Heiligen Schrift, scheinen nicht gerade zu den geistlichen Lieblingsbeschäftigungen des Christen von heute zu gehören. Der Besuch von Konferenzen oder das Anschauen von Vorträgen geistlich prominenter Prediger auf YouTube stehen vielfach höher im Kurs, ganz besonders aber: Lobpreis.


Obwohl wir Christen glauben, dass die Bibel die erste und auch sicherste  Referenz für Gott und somit Fundort der Offenbarung Gottes ist, beschäftigen sich viele von uns nur ungern mit ihr. Doch wer die Auseinandersetzung mit der Bibel scheut, sie nicht kennt, wer nicht mit ihr denkt, arbeitet und sie erforscht, dessen Gottesbild wird massgeblich durch andere Einflüsse geprägt werden. Zum Beispiel: durch Lobpreis.


Tatsächlich scheinen die Texte der populären Lobpreislieder heute zu den prägendsten Einflüssen der Theologie vieler Kirchengemeinden zu gehören. Wir alle singen und lieben sie. Wir machen sie uns zu Eigen, glauben ihren Aussagen und sind uns oftmals nicht bewusst, dass sie unser Gottesbild entscheidend prägen.


 

Obwohl ich ein Leiter bin dem es wichtig ist, junge Menschen in Verantwortung zu führen und sie als älterer Begleiter zu fördern, frage ich mich folgendes:


Ist es nicht etwas heikel, wenn wir die Prägung unserer Theologie und unseres Gottesbildes primär jungen Songwritern überlassen, die zwar ohne Zweifel eine authentische Gottesbeziehung haben, aber deren Lebens- und Gotteserfahrung in vielen Fällen noch nicht in die Tiefe gegangen ist und die oft keine theologische Ausbildung haben?

Wenn es um Predigten geht, wird seitens der Verantwortlichen einer Gemeinde darauf geachtet, dass die Aussagen, die von der Kanzel gemacht werden, biblisch fundiert sind. Pfarrer und Pastoren haben eine intensive theologische Ausbildung hinter sich, doch wer kümmert sich um eine solide theologische Ausbildung unserer christlichen Songwriter und Lobpreisleiter, die uns jeden Sonntag dienen?


Ich liebe Lobpreis und verbringe viel Zeit damit, Gott anzubeten. Ich mag die meisten der aktuellen Songs. Ich liebe die Arbeit mit jungen Menschen und ich habe ein Herz für Lobpreisleiter, die oft genug viel Arbeit in ihren Kirchen und Gemeinden leisten, aber zugleich wenig Förderung erhalten.


Um einen Stab nicht nur für die Bibel, sondern auch für die Entwicklung einer gesunden Theologie UND für die Förderung von Songwritern zu brechen, schlage ich folgendes vor:


  • Lasst uns als Konsumenten und im Lobpreis Angeleitete darauf achten, was wir eigentlich singen. Nicht nur im Blick auf die theologischen Inhalte, sondern auch dahingehend, ob wir eigentlich wirklich glauben (und/oder tun), was wir da singen.

  • Lasst uns als Songwriter, Lobpreisleiter und Übersetzer fremdsprachiger Songs darauf achten, dass wir Melodien und Texte nicht wegen eines bestimmten Effekts auf die Seele verwenden oder textlich an unsere eigenen Sehnsüchte und Vorstellungen anpassen, sondern sie an der Bibel messen.

  • Lasst uns als Singende daran denken, dass ANBETUNG immer AN jemanden gerichtet ist, und nicht unserer Seele gut zu tun hat.

  • Lasst uns als Leiter von Gemeinden, Kirchen und Werken, mit unseren Musikern, Songwritern und Lobpreisleitern im Austausch stehen, um sie nicht zu instrumentalisieren, sondern sie menschlich und theologisch fördern.

  • Lasst uns als Menschen, denen die Bibellese langweilig oder schwierig geworden ist, einen Kontrapunkt setzen und uns wieder neu und bewusst mit ihr auseinandersetzen. Kreative Hilfsmittel, unterschiedliche Blickwinkel beim Lesen und Bibellesepläne helfen dabei. Die Bibel ist zwar nicht so wichtig wie Gott, aber er offenbart sich durch sie.

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