„Was ist Wahrheit?“
Dieser Satz, ausgesprochen vor zweitausend Jahren vom römischen Statthalter Pontius Pilatus, war kaum jemals so aktuell wie heute.
Wir leben nämlich in einer Zeit, in welcher der Begriff der Wahrheit sich von einem allgemeingültige Tatsächlichkeiten beschreibendem Wort zu einem Synonym für persönliche Überzeugungen geworden ist. „Wahrheit“ ist divers geworden: Ich habe meine und du hast deine.
Für wahr wird gehalten, was wir jeweils für wahr halten wollen oder wovon wir uns überzeugen lassen, letztlich oft mit dem Ziel, in einer Gruppe gleichgesinnter Menschen Heimat, Zugehörigkeit und Identität zu finden.
Für wahr wird auch gehalten, was unserer Unsicherheit, Zukunftsangst und dem Gefühl von Ohnmacht eine sinnvolle Deutung und Lösung zu geben vermag.
Es entstehen in rasendem Tempo immer neue Wahrheiten, die sich immer weiter verästeln und schliesslich dazu führen können, dass wir alle völlig verwirrt werden, weil gar nichts mehr und zugleich alles wahr ist.
Für die einen ist zum Beispiel wahr, dass Putin ein Despot ist, für andere, dass er den Westen Europas aus den Klauen der USA befreien wird. Ganz offensichtlich wahr ist für durchaus intelligente Menschen, dass unsere Politiker nur Marionetten der geheimen Gesellschaft der Illuminaten, Freimaurer und der Hochfinanz sind. Andere wissen, dass morgen das Bankensystem zusammenbrechen wird und wir deswegen schleunigst unsere Ersparnisse in Edelmetalle investieren sollten. Wieder andere sind überzeugt davon, dass es die Bundesrepublik gar nicht gibt und sie in Wahrheit eine von „den Mächtigen“ geführte Firma mit Sitz in Frankfurt ist - das ist kein Witz.
Was sich für dich vielleicht völlig abstrus anhört, ist für viele Menschen Wahrheit - und noch viel, viel anderes mehr. Diese vermeintlichen, „wahren“ Wahrheiten zu kennen hat eine gewisse Attraktivität. Sie schafft nicht nur ein gewisses Maß an Sicherheit und Identität, sondern auch das Gefühl von Macht: „Ich kenne die Wahrheit, während die anderen da draußen nur Schlafschafe sind, die sich haben blenden und verführen lassen.“
Persönlich habe ich einen ganz bestimmten Umgang mit den Wahrheiten unserer Zeit gefunden. Ich kann ihn in der Kürze dieses Artikels nicht vollumfänglich beschreiben, aber zumindest einen Aspekt davon:
Wenn ich die mannigfaltigen Wahrheiten von heute betrachte, messe ich sie immer auch an einer Aussage von Jesus Christus, der einmal folgendes gesagt hat:
„Ihr werdet die Wahrheit erkennen und sie wird euch frei machen“ (Joh. 8,32).
Mir begegnen recht viele Menschen, die von den Wahrheiten bestimmter ideologischer Gruppierungen geprägt und überzeugt sind und an denen mir immer folgendes auffällt: Sie sind nicht frei. Viele von ihnen sind eher getrieben, unzufrieden oder haben echte Angst. Ihr Leben ist in meinen Augen nicht besonders schön und ihr Lebensfokus scheint mit auf die falschen Dinge gerichtet zu sein. Es wirkt vieles so anstrengend.
Von der Lebensfreude und Freiheit die mir begegnet, wenn ich die Worte des Neuen Testaments lese, kann ich oft wenig erkennen.
Was mich bedrückt ist, dass es unter diesen Menschen eine nicht geringe Anzahl von Christen gibt. Ihre Gedankenwelt ist von Wahrheitsszenarien okkupiert, die ihnen die Freude an Gott und die Zuversicht des Glaubens nehmen. Sie werden zu „Wahrheitsspezialisten“, vergessen aber, dass die Wahrheit letztlich nicht in Überzeugungen, scheinlogischen Zusammenhängen oder einer bestimmten Gruppe zu finden ist, sondern in einer Person.
„Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ sagt Jesus. Was für ein Satz! Entweder ist das die größte Übertreibung von allen oder er ist wahr.
Bemerkenswert finde ich bezüglich dieser Frage, dass mein persönlicher Glaube daran, dass Jesu Worte wahr sind, mich eben nicht ängstlich, verbissen, dogmatisch, überheblich oder engstirnig macht, sondern frei und gelassen.
Dies aber nicht etwa in einer Verleugnung von Leid, Bedrängnis oder politischer Unsicherheit und auch nicht mit einer wolkigen Entrückungsgewissheit, die die harten Realitäten des Lebens verdrängt.
Viel mehr schenkt mir die Wahrheit der Person Jesu den Mut, in dieser Welt ein - wenn auch kleines - Licht zu sein, das die dräuende Dunkelheit der sich zusammenballenden Scheinwahrheiten ein wenig heller macht und vielleicht auf das große Licht, das sich in Jesus geoffenbart hat, hinweist.
Meine Wahrheit ist also eine Person. Sie macht mich tatsächlich frei von Zwängen und Ängsten. Sie gibt mir wahre Identität und sie lässt meine Seele Frieden finden.
Am Anfang dieser Woche wünsche ich mir auch für dich, dass du dich dieser freimachenden Wahrheit zuwendest - egal, ob du schon Christ bist oder nicht. Verbring lieber Zeit mit ihm, als in Internetforen danach zu suchen, was deine Ängste und Befürchtungen bestätigt.
Alles Liebe. Rainer
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