
Manchmal bin ich emotional überfordert, was ganz unterschiedliche Ursachen haben kann. Manche sind wahrhaft überwältigend, andere dagegen klein.
Neulich zum Beispiel war ich zusammen mit meiner Frau einkaufen. Das ist anstrengender für mich, als vor vielen Zuhörern einen Vortrag zu halten.
Schon als ich den riesigen Supermarkt betrat, war mir die schiere Menge an Auswahlmöglichkeiten, die in den langen Gängen auf uns warteten, zu viel.
„Konsumiere“ riefen mir die bunten Verpackungen, die Sonderangebotsschilder und übervollen Regale im Markt zu. Je länger ich mich dort aufhielt, desto mehr fühlte ich mich wie während einer Achterbahnfahrt. In mir wurde kein glückliches Kaufgefühl geweckt und ich fühlte mich auch nicht als unbeschwerten Konsumenten. Eher hatte ich die Empfindung, als würde ich selber konsumiert.
Diese Erfahrung überforderte mich, auch wenn ich sie mit etwas Humor betrachten kann.
Aber dann sind da die anderen Situationen, Ereignisse und Informationen, die nicht mit Humor betrachtet und leicht abgehakt werden können.
Mehrmals am Tag lese ich nach, was gerade in der Welt geschieht, welche Brandherde und Konflikte sich wo und wie entwickeln und informiere mich auch darüber, welche Entwicklungen es in der weltweiten Kirche gibt.
An manchen Tagen verdichten sich die Berichte von menschlicher Not, von Kriegen und Gewalt, von Missbrauch und von negativen Geschehnissen, die auch in der Kirche stattfinden derart, dass mich das Gewicht ihrer Summe zu erdrücken droht.
Ich spüre dann, dass das Maß an Eindrücken, die ich aufnehmen kann begrenzt ist. Zu viele tun mir nicht gut. Deshalb muss ich mich immer wieder bewusst abwenden und die Stille suchen. Wenn ich das nicht tue, drohe ich vom Strudel des Zuviels verschlungen zu werden: zu viele Geräusche, Farben, Menschen, Autos, Lichter, Leid, Lüge, Informationen, Bilder, Ansprüche, Sorgen und anderes.
Ich vermute, dass ich nicht alleine mit diesen Gefühlen bin. Falls du sie ebenfalls kennst, empfehle ich dir das kontemplative Gebet. Ich übe mich seit vielen Jahren darin und die Stille Zweisamkeit mit Gott ist mir zu einer Oase der Ruhe und zu einem Ort der Versicherung meiner selbst und Gottes geworden: Er ist da und ich darf bei ihm sein.
Das ändert nichts daran, dass nicht alles gut ist. Kriege werden weitergehen. Ungerechtigkeit wird nicht verschwinden. Aber Gott ist gut. Er schenkt mir Frieden, so dass ich nicht resigniere, sondern in dem kleinen Wirkungskreis, in dem ich mich bewege das ein oder andere tun kann, um Leid und Not zu lindern.
Und obwohl Gott so viel mehr ist, als ein Mensch verstehen könnte, ist er selbst nicht zu viel für mich. Sicher, er sprengt mein Vorstellungsvermögen, aber das führt nicht zu negativer Überforderung, sondern zu positivem Staunen und Verweilen in seiner Nähe. Er ist das Auge im Sturm, der mich umgibt. Ich muss da immer wieder raus, aber es gibt den Ruheort im Innen. Von dort her will ich leben, damit ich nicht vom Sturm der Ereignisse um mich herum getrieben und durcheinandergebracht werde.
Das wünsche ich dir für diese neue Woche.
Alles Liebe. Rainer
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