Am Sonntag vor einer Woche bin ich in Freiburg losgefahren, um einen geliebten Menschen auf seinem letzten Weg zu begleiten.
Damit begann eine besondere Zeit, die mich aus dem normalen Alltag herausgenommen und in eine Fokussierung auf ganz wenige, aber dafür sehr bedeutsame Dinge hineingebracht hat.
Diese spezielle Zeit ist erfüllt von viel Stille, aber auch von Worten der Liebe, von Weinen und Lachen, von Gebeten und vom Singen am Bett eines Menschen, der schon weit entfernt zu sein scheint, aber doch noch da ist.
Während der Atem des Sterbenden schwindet, nimmt man in so einer Phase, in der die eigene Welt ganz klein wird, Abschied. Man sitzt mitten in der Nacht stundenlang am Bett des Geliebten, nimmt jedes seiner Lebensgeräusche wahr, streichelt, küsst und versorgt ihn und verabreicht regelmäßig die starken Schmerzmittel - und man wartet.
Man wartet auf das Ende eines Lebens voller Kämpfe mit Siegen und Niederlagen, ein Leben voller Arbeit, Hoffnung, Enttäuschung, Freude, Glück und Schmerz.
In meinem Fall warte ich aber zugleich auf den Beginn des neuen Lebens, das uns Christen verheißen ist. Dieses neue Leben wird anders sein als das alte. Die gewohnte Abwechslung von Freude und Leid wird darin aus den Fugen geraten und etwas wahrhaft ganz Neues wird dort Realität sein:
Schmerzen, Leiden, Weinen und Sterben gibt es nicht mehr. Stattdessen umgibt uns dort die pure Präsenz von Schönheit in der Gestalt und Gegenwart des Gottes, der ewig liebt und der vollkommen ist. Das ist das Leben, das denen verheißen ist, die die Hand Jesu ergreifen und ihm in schlichtem Glauben folgen.
Die Realität des alten Lebens sieht anders aus, der Sterbeprozess ist nicht schön anzusehen. Elend, Leid und Schmerz scheinen alles zu sein, was am Ende bleibt. Doch es ist nur wie das Überklettern einer Mauer: Es mag hart sein, dem Kletterer bei seiner Mühe zuzusehen, aber auf der anderen Seite der Mauer wird er in ein Land eintreten, dass die Mühe vergessen macht. Die Aufgabe der Zurückbleibenden ist, den Sterbenden bis zu dieser Mauer zu begleiten und ihm durch Liebe Kraft und Glauben zu vermitteln, dass er es schaffen wird, sie zu überwinden.
Das versuche ich zu tun, während ich Abschied nehme, Abschied von dem Menschen, der mich einst in sich getragen und unter Schmerzen in mein Leben hineingeboren hat. Abschied von einem der wenigen Menschen in meinem Leben, der bis zuletzt alles für mich gegeben hätte.
Leb wohl, Mutti. Ich liebe dich.
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