Ich habe bereits einige Menschen auf ihrem letzten Weg ein Stück begleiten dürfen und jetzt ist es wieder soweit.
Meine Auszeit habe ich abgebrochen und bin zurück nach Deutschland geflogen, um in den letzten Tagen eines geliebten Menschen noch Zeit mit ihm verbringen zu können.
Wie bei den anderen Menschen, an deren Bett ich gesessen habe, ist es auch jetzt so, dass ich oft nicht weiß, was ich sagen soll.
Die Beschäftigung mit dem kommenden Tod im Gespräch zu vermeiden, scheint ebenso unpassend, wie dauernd nur über dieses Thema zu sprechen. Es sind eher die kleinen Worte, die eine Rolle spielen. Das Teilen von Erinnerungen, ein Scherz zwischendurch und Gebete.
Ansonsten Schweigen. Stundenlang.
Berühren. Warten. Akzeptieren. Loslassen.
In solchen Situationen wird mir die Bedeutung und das Geschenk meines eigenen Lebens bewusster. Jedes Mal stellte ich fest, wie sehr ich in meiner kleinen Welt um mich selbst kreisen kann und meine eigenen Probleme, Projekte und Ziele mich völlig absorbieren können. Grundlegende Fragen tauchen auf, von denen die bedeutsamste lautet: Was ist wirklich wichtig?
In seinem Gedicht „Summa summarum“ gibt der deutsche Zeichner Wilhelm Busch eine gute Antwort darauf, wenn er schreibt:
„Die Summe unsres Lebens sind die Stunden, wo wir lieben“
Die Essenz, der Hauptinhalt, das Extrakt unseres Lebens sieht er darin, zu lieben. Seine Sicht bejahe ich, und doch vergesse ich im Alltagstrubel immer wieder, mich daran zu erinnern und die Prioritäten entsprechend zu setzen.
Vielleicht gelingt es mir angesichts des Verschwindens eines weiteren nahestehenden Menschen zu lernen, in den Jahren, die hoffentlich noch vor mir liegen, mehr Zeit einzuräumen, um zu lieben. Das wünsche ich uns allen.
Alles Liebe. Rainer
Comments